Montag, 8. Oktober 2018

Über Toleranz, das Zuhören mit offenem Herzen und vom Überwinden der Sprachlosigkeit...

Ich bin nicht täglich in den sozialen Medien unterwegs, aber manchmal nehme ich mir bewusst die Zeit Vieles zu lesen. Jetzt nach dem Wochenende war das wieder sehr spannend. Ich glaube, wir leben in einer Zeit, die uns auffordert tolerant zu sein und zuzuhören. Das wird besonders schwierig, wenn mir die Meinung des anderen nicht passt oder mich wirklich stört. Es wird schwer, wenn ich mich selbst für den erachte, der Recht hat oder politisch, moralisch integerer handelt, als der andere.
Ich hatte unlängst ein Gespräch mit einer älteren Frau, die auf Mädchen mit Kopftuch zeigte und ihren Kopf dazu ärgerlich schüttelte. Ich wollte wegsehen, aber da sprach sie mich an: "Das finden Sie doch auch schlecht, oder? Sie sind doch auch emanzipiert!" Ich musste kurz schlucken. "Ja, ich bin emanzipiert", habe ich geantwortet: "Aber NEIN, ich denke, dass jeder frei ist in seiner Religionsausübung!" Sie bliebt starr: "Aber in unserem Land?" "Nun, das ist so eine Sache mit unserem Land. Was stört sie denn genau?" war meine Antwort. - Und es war wirklich ergreifend. Nach ein paar Hass-Sätzchen wurde sie weicher. Ich habe versucht nicht zu sehr in das Dagegen zu gehen, obwohl ich zwischendurch wirklich innerlich mit mir kämpfen musste. Ich habe mich die ganze Zeit bemüht, mit vollem Herzen zuzuhören. 
Und dann sprach sie von ihrer Kindheit in der DDR, von den Uniformen, die sie tragen musste. Uniformen, die sie gehasst hat. Vom Berufsverbot ihres Vaters, von der Beschneidung durch den Staat, nicht studieren zu dürfen. "Und diese Mädchen", sie wies wieder zu den spielenden Kindern, "müssen sich auch wieder uniformieren und beschneiden lassen". Ich schaute sie an und meine spontane Antwort war. "Und auch diese Mädchen werden rebellieren und Veränderung schaffen, so wie sie und ich es scheinbar getan haben. Unterstützen wir sie darin!" 
Es geht meiner Meinung nach nicht um die einen gegen die anderen. Es geht um Repression durch Staat und Religion. Es geht um Unterstützung und Zuhören. Es geht um unserer Geschichten, Nöte, Ängste. Und es geht auch um (Meinungs-) Freiheit!
Die ganze Unterhaltung war letztlich wesentlich länger und ich habe der Frau auch davon berichtet, wie ich aufgewachsen bin und was ich tun sollte oder musste, aufgrund der politischen und religiösen Einstellungen in meinem Elternhaus. 
Ohne gegenseitiges Zuhören aber auch Öffnen, scheint mir Begegnung nicht zu gelingen. Ein paar Jahre vorher habe ich eine ähnliche Unterhaltung im Zug damit umgangen, dass ich zwei Bahnhaltestellen zu früh ausgestiegen bin. Es hat jetzt gedauert, bis ich in der Lage war, bei bestimmten Aussprüchen nicht direkt aus dem Hemd zu springen, sondern weiter zuzuhören und beteiligt zu bleiben. Nachträglich habe ich mich immer dafür ein bisschen geschämt, damals im Zug nicht mehr gesagt zu haben. 
Steigen wir bei Diskussion mit Menschen, die anders denken, nicht direkt aus. Alles menschliche Leben ist Begegnung. [Martin Buber] Die Zeit ist reif dafür.

Hören und Denken mit dem Herzen. Unbekannter Künstler.



Samstag, 22. September 2018

Traumverständnis

Dass ich viel zu lange über den Büchern und vor dem Computer gesessen habe, merke ich manchmal daran, dass ich beim Aufwachen mit der rechten Hand auf der Decke die Maus suche, um mit einem Klick den Traum abzuspeichern.

Traumdeutung klingt für manchen zu spirituell oder zu sehr nach Hokuspokus. Letztlich kommt alles aber aus dem Kopf des Träumenden und bietet somit oft Impulse für die Lösung von Problemen. Ein faszinierender und spannender Teil meiner Arbeit. Mir gefällt der Ansatz, wie Träume in der Gestalttherapie verstanden werden können. Danach sind alle Personen und auch Dinge im Traum ich selbst. Das wirft einen völlig anderen Blick auf manchen Traum. Gestalttherapeutisch sprechen wir dann von Traumverständnis.

Lassen Sie es mich an einem Beispiel aus der Praxis versuchen zu erklären:

Ein Klient träumt immer wieder, dass er mit seinem Wagen an einer Tankstelle steht und die Tankstelle explodiert. Er wird jedes Mal schweißgebadet wach und der Traum kommt immer öfter. Er steht seit einiger Zeit beruflich stark unter Druck. Er hat häufiger Magendrücken und Reflux - ist aber jemand, der sich gerne gelassen gibt und Streit weitgehendst vermeiden will.

Wir können erschüttert sein, über die Heftigkeit des Traumbildes. Wir können fragen, was bedroht ihn? Wie kann er damit umgehen? ... Ich fasse es hier eher kurz. Ist er, so wie man es in der Gestalttherapie sieht, jeder Teil seines Traumes selber, dann ist auch er die Tankstelle. Die normalerweise keine Gefahr darstellt und etwas gibt, damit Motoren laufen und es nicht zu Stillstand kommt - aber in zündenden Momenten auch hochexplosiv sein kann. Also frage ich ihn frei heraus: "Und, wann explodieren Sie?" Er schüttelt den Kopf und sagt sehr spontan: "Nie!"

Ich lache, und er ist er kurz vergrätzt. Dann schaut er mich lange forschend an. Und dann lacht er. Und lacht. Und lacht. Er zwinkert und sagt: "Sie! Tstststs!" - Wir beide lachen laut und herzhaft. Wir glucksen förmlich und wischen uns die Tränen aus dem Gesicht. Dann sagt er sehr ruhig: "Ich könnte echt ausflippen über diese ganze Scheiße! Ich bin die explodierende Tankstelle. Ich bin randvoll mit explosivem Zeug."

Ich verkürze die Geschichte hier: Ab da an haben wir daran gearbeitet, wie er seine Meinung vortragen kann und das "hochbrennbare Zeug" (seine Wut, Entrüstung, Ärger...) nicht bei sich behält und auch nicht explodieren muss. Der Traum kehrte nicht wieder. Was soll ich sagen – vielleicht ein Zufall? Das Sod-Brennen war auch weg.

Manchmal zeigt der Traum einen Handlungsimpuls. Diese Episode darf ich anonym weitergeben. Ich habe alles sehr zusammengefasst, aber vielleicht erklärt es ein bisschen, wie Traumverständnis in der Gestalttherapie aussehen – kann.

Schöne Träume ;-)


Gudrun Haep
Gestalttherapeutin (DVG) seit mehr als 15 Jahren sowie Stress- und Burnout-Prophylaxe-Trainerin (DBVB)
Praxis Kartäuserhof 30a, 50678 Köln sowie Bornheimer Str. 25, 53111 Bonn


 


Dienstag, 21. August 2018

Wahrnehmungs-psychologie ;-) quatsch: kleine Ausflugs-story

Letzte Woche wollte ich mir das Schloss Homburg anschauen. Es gibt dort Führungen mit einer Handpuppe und das fand ich sehr reizvoll. Gut, die Führungen sind für Kinder…

Da die Bahn auf der Stecke ins Bergische gerade einige Ausfälle hat dachte ich mir, ich fahre bis zum nächstgelegenen Bahnhof und radle den Rest. Die sportlich-elegante Dame auf dem Bergischen Radler verspricht doch eine schöne, gar windige Fahrt mit flatterndem Schal. Aber Pustekuchen!! 

Wer an der Sieg radelt oder neben den alten Bahntrassen, der wird das Bergische voll Freude per Velo erkunden. Wer aber querfeldein fährt erlebt höchste Anforderungen. Ich kannte von der Strecke nach Overath zu Camping Paul nur "einen" schlimmen Berg. Hier aber ächzt man mühevoll rauf - fährt wieder runter - wieder eine Steigung und wieder bergab und erneut ein Hang, bei dem man nur noch schieben kann und dabei schon völlig fertig ist. Man erreicht einfach nicht den Gipfel und das Ziel - es geht endlos so weiter....! Man er-fährt das immer Gleiche des Sisyphos.... 

Die Landschaft ist malerisch, Pflaumen überwachsen Schilder, wunderschönes Fachwerk und Natur entschädigen für die Mühen. Auch das Schloss beeindruckt –von außen. Denn es hatte bei meiner Ankunft dann gerade geschlossen. Zweimal war mir die Kette abgesprungen und durch Kettenfett und Hitze sah ich aus, als wäre ich schon Tage unterwegs.

Im Dorf selbst erkannte ich dann, dass ich hier sogar schon einmal war. Im Winter hatte hier ein bezaubernder Weihnachtsbasar mit Verkauf selbstgestrickter Waren stattgefunden. Das hätte ich nicht mehr gewusst, dass hier diese Burg anzusiedeln ist. Aber ok  ich war damals auch mit dem Auto mitgenommen worden. 


Jetzt vergesse ich dank all dieser Erlebnisse Nümbrecht sicher nie mehr - oder bis zum nächsten Mal, wenn ich sicher wieder sage: Ach, hier war ich doch schon mal…. 









Montag, 20. August 2018

Gestalttherapie mit höchster Effektstärke – Gestalt rules!

Es freut mich sehr zu lesen, dass "Gestalttherapie heutzutage das Psychotherapie-Verfahren mit den weltweit höchsten Effektstärken ist. (Phil Brownell: zwischen 1.12 und 1.42 / R. Elliott: 0.93)". 

Das Zitat von Lotte Hartmann-Kottek findet sich belegt im Handbuch (s.u.), dass nach Größe und Handlichkeit eigentlich schon kein Hand-Buch mehr ist. 

Aber vielleicht auch das  - nur eine Frage der Wahrnehmung.






Langer Atem – Umweltschutz – oder Veränderung braucht manchmal Zeit

Ich habe mit 16 Jahren begonnen, mich mit dem Thema Klima und Umweltschutz intensiver auseinanderzusetzen. Mit 18 traf ich mich häufiger mit der handvoll grüner Vertreter in meiner Heimatstadt und gemeinsam machten wir einen Stand vor dem größten Kaufhaus. 

An einem Samstag drückten wir mitten im Rheinbraunkohlentagebaugebiet Menschen Zettel in die Hand, die von den klimatischen Problemen und der drastischen Zerstörung von Natur, Landschaft und Gewässerhaushalt durch Kohleabbau berichteten. (Ich habe noch einen dieser Wahnsinnsbagger hinter unserm Haus die Straße passieren sehen. Das war gewaltig!)

Immer wieder standen nun aber Leute hasserfüllt am Stand vor uns und fragten uns wovon denn ihr Mann, Sohn, Großvater, Onkel….ganze Familien bitte leben sollten? Wer sich sowas einfallen ließe? Atomenergie wäre ja wohl scheinbar auch schlecht. Ach so - die Lösung: Energie aus der Luft oder von der Sonne, gleich von Gott oder einem Indianergott der Cree, was? Haha – ihr weltfremden Irren! Wir hatten damals von Windenergie erzählt, Solarenergie – Photovoltaik…Ideen dazu.

Mein Deutschlehrer aus der Schule hielt mich fest am Oberarm und zischte: Weiß Deine Mutter oder Dein Vater, was du hier tust? Eine aufregende Aktion. - Natürlich gab/gibt es auch bei Windkrafträdern, alternativen Energien Vor- und Nachteile... etc. pp. aber ein schlagender Aspekt war und ist hier schlicht: Arbeitsplätze.


Manchmal bin ich in Jobs noch wegen dem Windrad an meiner Arbeitskleidung angesprochen worden: Ob ich das denn tragen dürfte? Das wäre doch ein politischer Ausdruck. Und ich bin froh, auch heute noch antworten zu können, dass es ein ökologisches Statement ist und kein politisches.


Als ich letzte Woche mit dem Rad nach Haus Mödrath fuhr, habe ich eine kleine Rast gemacht und in dem rekultivierten Gebiet diese Windkraftanlagen aus der Ferne fotografiert. 


Unsere unliebsame Aktion ist jetzt ca. 30 Jahre her. Es hat lange gedauert, aber Veränderungen waren/sind möglich. Das bezieht sich auf den Einzelnen, auf unser Leben aber auch auf große Projekte wie den Klimaschutz. 

Wir wollen tendenziell festhalten an dem, was ist und glauben, dass es gut so ist oder wieder gut wird. Wir nehmen den Ausschnitt wahr, das was uns betrifft und können das Ganze manchmal nicht mehr erkennen. Zu sehen, dass Veränderung Not tut, kann schmerzhaft sein und erfordert (neue) Energie.

Es ist übrigens laut Energieszenario des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) falsch, dass Deutschland sein versprochenes Klimaziel 2020 verfehlt, wie es laut Medienberichten im Klimaschutzbericht der Regierung heißt. Durch Abschalten oder Drosseln von Braunkohlekraftwerken lassen sich Klimaziele immer noch erreichen. 

Also….nicht aufhören - nicht müde werden, an Wunder, Wechsel und Umgestaltung (frei nach Hilde Domin) zu glauben. Privat und global!




Freitag, 10. August 2018

Handlung - Veränderung für ALLE

Wenn ich mich durch die Artikel auf Facebook, Google oder LinkedIN lese, geht es vielen um Wertschätzung und Respekt.

Menschen gegenüber, mit anderer Hautfarbe, Fremden, Andersgläubigen, Armen, in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet für billige T-Shirts. Anderen gegenüber, um ihr Wasser betrogen, ihr Land oder Sozialleistungen. Menschen - vernachlässigt, isoliert: weil sie nicht ganz in die Gesellschaft passen, mit ihren Erkrankungen, Süchten, Tendenzen.

Tieren gegenüber, die in Massentierhaltung gequält werden, ausgerottet oder schlicht an einem heißen Tag im Auto vergessen.

Der Natur gegenüber, wo Temperaturen auch in den Ozeanen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe steigen, die wir taktieren mit Wälderabholzung, Überweidung, Monokulturen….

Manche fragen: Wieso ändern wir nichts? Weil wir am Alten festhalten, am Bekannten.

Und solange man selbst noch nicht betroffen ist oder nur mittelbar, will man optimistisch bleiben und sich vom Unabwendbaren nicht einnehmen lassen. Das könnte Angst auslösen. Und dann soll ich auch noch am globalen Dilemma selbst Mitschuld sein? Das könnte Wut entfachen.

In meiner Arbeit fragen sich Menschen oft: Wieso bin ich nicht eher gekommen und habe mir Luft gemacht, habe nach Lösungen gesucht und gespürt, wie viel Kraft der Veränderung in mir liegt, wie viel ich selbst bewegen kann, wie stark und mutig ich bin? Wieso habe ich mich so lange einlullen lassen von dem: "So ist es halt! Da kann man nichts machen!" Wieso habe ich nicht auf die Menschen um mich herum vertraut, auf alte und neue Kontakte und Begegnung gebaut, die mich stärken?

Ich erlebe das gerade überall. Solange der Leidensdruck noch nicht hoch genug ist, wir noch nicht merken, wie stark uns all diese Phänomene mitbetreffen, verändert sich wenig.

ABER und das scheint mich sehr wichtig: Wir neigen oft zu Extremen. Wir werden, wenn wir uns Themen nähern, nicht direkt die Welt ändern können. Und manchmal sackt man dann in sich zusammen und es kommt zu dem: Was kann ich denn auch schon tun? So wie man auch nach einer ersten Stunde Therapie noch nicht gravierend spürt, dass sich alles leichter und frischer anfühlt. 

Allerdings schafft schon der Gedanke sich aufzumachen und etwas für sich und (oder) die Welt zu tun bereits etwas Neues, öffnet fest gezurrte Muster und Vorstellungen von sich selbst und der Welt.

Der kluge Aristoteles schreibt: Der ANFANG ist die HÄLFTE DES GANZEN.

Wir können keine Veränderungen erzwingen, forcieren. Die Kirsche hängt nicht direkt prall am Baum und Dinge brauchen Zeit. Ohne Frage zeigt die Vielzahl der empörten Ausrufe den Wunsch nach Veränderung und dass es an der Zeit ist, zu schauen wie und wo wir handeln können und aufeinander bauen.

"Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt" Talmudspruch.

Foto Handlung: Freilichtmusuem Kommern, Foto Menschen: Gebäude in Rotterdam



Freitag, 3. August 2018

Zahlen Sie doch ... 0 Euro ;- ) Zur Aktion: One for you - one for WE!

Bei meiner August-Aktion, bei der ich Beratungsstunden zu Job, Alltag, Neuorientierung…gegen den Gegenwert gebe, den Sie geben möchten, konnte ich heute Interessenten versichern, dass nur Sie alleine bestimmten, wie viel Ihnen die Stunde wert war und dass es wirklich gleichgültig ist, ob sie Null Euro oder einen anderen Betrag in die Box stecken.

Die Erlöse gehen zugunsten der Flüchtlingshilfe und hier zählt aus meiner Sicht nicht nur jeder Euro sondern auch, dass man sich aufmacht, etwas zu tun. 

Und das haben die ersten Interessenten, die heute da waren getan: Sie waren neugierig und auch sehr skeptisch: Geht’s denn hier nur um Geld? Brauche ich jetzt plötzlich Therapie oder sowas?

Ein herzliches Lachen, nicht zuletzt auch über meinen Null Euro Schein, hat die Zweifel beseitigt.

„Frau Haep, Mensch, Sie sind mir ne Marke! Ach ne, vielleicht eher en Euro. Sie können so ernst und auch so lustig. Bei Ihnen ist man ja fast gerne ver-rückt." – Für mich, ein wunderschönes Kompliment!


O - Euro Schein der Marksburg in Braubach

O - Euro Schein der Marksburg in Braubach