Das Herz ist ein starker Muskel.

In Krisen oder Problemlagen wollen wir meistens schnell wieder funktionieren, normal sein. Trauer, Enttäuschung, Wut, Ängste und Scham sollen nicht lange andauern. Dabei handelt es sich zum Beispiel bei Trennungen oder Verlust um Verletzungen. Und erstaunlicherweise gehen wir mit körperlichem Schmerz völlig anders um. Wird der Körper verletzt, tut uns dort etwas sehr stechend, bohrend, ziehend, beißend weh, dann suchen wir den Weg zum Arzt. Im Krankenhaus bitten wir um Notversorgung und hoffen, dass das ärgste Übel gestoppt wird. Wir rufen nach Erstversorgung und wünschen uns bestmögliche Betreuung und Pflege sowie schnellstmögliche Rehabilitation. Interessanterweise ist das bei seelischem Schmerz nicht so.

Menschen erzählen von quälendem Schmerz, von Kränkungen und Leid über Jahre. Aber die Idee ist seltsamerweise nicht, sich versorgen, unterstützen, helfen oder supporten zu lassen. Hier gilt immer noch das alte: Hilf dir selbst! Manchmal bin ich erstaunt. Ich glaube, ich bin noch nie auf die Idee gekommen, den Zahnarzt zu fragen, ob er mir mal flott zeigt, wie ich zwei Backenzähne plombieren kann. Und wenn ich in meiner Arbeit erkläre, dass manches Zeit braucht, einiges sich über Jahre einschliff oder schon immer so war und nicht von heute auf morgen ein Muster oder die Art ein Problem anzugehen, völlig behoben sein kann, schaut mich mein Gegenüber oft verblüfft an. Ich weise dann manchmal darauf hin, dass auch die Kirsche nicht direkt am Baum hängt und alles ein Prozess ist – aber passender ist der Vergleich mit dem Körper und den körperlichen Beschwerden.

Haben wir einen Bruch erlitten, körperlich, dann wird er geschient oder das Körperteil kommt in Gips, wird ruhiggestellt. Eine ganze Zeit tut es mächtig weh und man ist überhaupt nicht so beweglich, wie man es gerne hätte. Der Gips erinnert einen immer an den Schmerz und das Geschehnis. Nachts schläft man schlecht, tagsüber muss man wen bitten, einem das Hoftor aufzuschließen. Langsam dann gewöhnt man sich daran. Und auch wenn der Gips abgenommen wurde, ist es erst nicht schön. Das Belasten des Armes oder Beines schmerzt.  

Man geht zur Bewegungstherapie, um Beweglichkeit wiederzuerlernen. Am liebsten würde man das Körperteil gar nicht mehr beanspruchen. Genau auch das passiert bei seelischem Schmerz. Er hält einen mächtig auf Trapp und es ist kaum möglich, ihn aus den Gedanken zu verbannen. Das Kurieren dauert. Und handelt es sich bei dem verletzten Körperteil um das Herz, so will man es eigentlich gar nicht mehr wagen, sich zu öffnen oder Liebe zu riskieren. Viele hören dann auf es zu benutzen oder schränken es auf die nötigsten Formen ein. Herz wagen ist nicht einfach. Es schmerzt am Anfang wieder. Und pocht unnötig heftig. Aber auch das kann wieder trainiert werden. Wir würden ja schließlich auch nicht aufhören den Arm zu bewegen.

Sorgen Sie doch für sich und lassen Sie sich bei Herzschmerz eine gute Wundversorgung angedeihen. Lassen Sie sich Zeit für den Heilungsprozess und feiern die Erholung als Rekonvaleszent. Und versuchen Sie es nicht unbedingt alleine zu kurieren. Es gibt Spezialisten dafür 😉

P.S.: Der Körpertherapeut Moshe Feldenkrais sah, dass es bei starker Behinderung möglich ist den Körper nur durch die bloße Vorstellung beweglich zu halten. Das klappt analog auch für das Psychische. Was wir uns vorstellen können, das können wir auch tun. 

Gudrun Haep - Gestalttherapeutin (DVG)
Beratung, Unterstützung und neue Perspektive
Gestaltpraxis Köln und Bonn
Leben & Beziehungen erfolgreich gestalten


Bild könnte enthalten: Innenbereich
Foto: "Caruta Sanitara" (Sanitätskarren) - Adriana Popesku.