Samstag, 22. September 2018

Traumverständnis

Dass ich viel zu lange über den Büchern und vor dem Computer gesessen habe, merke ich manchmal daran, dass ich beim Aufwachen mit der rechten Hand auf der Decke die Maus suche, um mit einem Klick den Traum abzuspeichern.

Traumdeutung klingt für manchen zu spirituell oder zu sehr nach Hokuspokus. Letztlich kommt alles aber aus dem Kopf des Träumenden und bietet somit oft Impulse für die Lösung von Problemen. Ein faszinierender und spannender Teil meiner Arbeit. Mir gefällt der Ansatz, wie Träume in der Gestalttherapie verstanden werden können. Danach sind alle Personen und auch Dinge im Traum ich selbst. Das wirft einen völlig anderen Blick auf manchen Traum. Gestalttherapeutisch sprechen wir dann von Traumverständnis.

Lassen Sie es mich an einem Beispiel aus der Praxis versuchen zu erklären:

Ein Klient träumt immer wieder, dass er mit seinem Wagen an einer Tankstelle steht und die Tankstelle explodiert. Er wird jedes Mal schweißgebadet wach und der Traum kommt immer öfter. Er steht seit einiger Zeit beruflich stark unter Druck. Er hat häufiger Magendrücken und Reflux - ist aber jemand, der sich gerne gelassen gibt und Streit weitgehendst vermeiden will.

Wir können erschüttert sein, über die Heftigkeit des Traumbildes. Wir können fragen, was bedroht ihn? Wie kann er damit umgehen? ... Ich fasse es hier eher kurz. Ist er, so wie man es in der Gestalttherapie sieht, jeder Teil seines Traumes selber, dann ist auch er die Tankstelle. Die normalerweise keine Gefahr darstellt und etwas gibt, damit Motoren laufen und es nicht zu Stillstand kommt - aber in zündenden Momenten auch hochexplosiv sein kann. Also frage ich ihn frei heraus: "Und, wann explodieren Sie?" Er schüttelt den Kopf und sagt sehr spontan: "Nie!"

Ich lache, und er ist er kurz vergrätzt. Dann schaut er mich lange forschend an. Und dann lacht er. Und lacht. Und lacht. Er zwinkert und sagt: "Sie! Tstststs!" - Wir beide lachen laut und herzhaft. Wir glucksen förmlich und wischen uns die Tränen aus dem Gesicht. Dann sagt er sehr ruhig: "Ich könnte echt ausflippen über diese ganze Scheiße! Ich bin die explodierende Tankstelle. Ich bin randvoll mit explosivem Zeug."

Ich verkürze die Geschichte hier: Ab da an haben wir daran gearbeitet, wie er seine Meinung vortragen kann und das "hochbrennbare Zeug" (seine Wut, Entrüstung, Ärger...) nicht bei sich behält und auch nicht explodieren muss. Der Traum kehrte nicht wieder. Was soll ich sagen – vielleicht ein Zufall? Das Sod-Brennen war auch weg.

Manchmal zeigt der Traum einen Handlungsimpuls. Diese Episode darf ich anonym weitergeben. Ich habe alles sehr zusammengefasst, aber vielleicht erklärt es ein bisschen, wie Traumverständnis in der Gestalttherapie aussehen – kann.

Schöne Träume ;-)


Gudrun Haep
Gestalttherapeutin (DVG) seit mehr als 15 Jahren sowie Stress- und Burnout-Prophylaxe-Trainerin (DBVB)
Praxis Kartäuserhof 30a, 50678 Köln sowie Bornheimer Str. 25, 53111 Bonn


 


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