Mittwoch, 25. Februar 2015

Vom Visualisieren, Träumen, Hoffen und Sorgen machen


Es gibt viele Möglichkeiten das Glück, die Zukunft, den Erfolg,... zu visualisieren. Visualisieren, darunter verstehe ich vorstellen oder vorstellen mit allen Sinnen. In Visualisierungsübungen kann der Teilnehmer das Erhoffte spüren: die Sonne auf der Haut, den Geschmack von Salz auf den Lippen, die Möwen überm Meer hören, den Fischgeruch riechen usw., usw.


Es gibt Menschen, die bei der Vorstellung ihres Lieblingspartners dann plötzlich aber in eine ganz andere Richtung abdriften und von der tiefen Stimme und dem schönen Haar völlig unvermittelt auf einmal erzählen, dass derjenige nachts schnarcht und gewaltige Hände hat. Visualisieren, so beteuern sie, ist nicht ihr Ding. Was passiert?

Die positive Visualisierung der Zukunft ist keine reine Methode der Gestalttherapie, soweit ich weiß. Es reizt mich aber, darauf näher einzugehen. Studien beweisen, dass wir entspannen, wenn wir uns die zukünftigen Dinge schön vorstellen und ausmalen. Es hat ja tatsächlich überdies nicht viel Sinn, es sich gar zu furchtbar und schwarz auszumalen. In der Regel kommt es dann ja doch noch einmal anders. Wieso also die Zeit mit den allerschlimmsten Befürchtungen vertun. Barry Stevens beschreibt dazu eine Szene sehr schön in ihrem Artikel: Das Leben findet nicht im Kopf statt. Ich hänge sie unten an.


Worauf ich aber hinaus will ist nicht, sich keine Sorgen zu machen, sondern das Konzept der Visualisierung zu betrachten. Sich etwas vorstellen können ist schon eine Fähigkeit. Das ist nicht träumen. Und es gibt Menschen, die das verlernten. Der Grund liegt nach meinem Ermessen nicht in mangelnder Phantasie. Der Hintergrund dafür ist zuweilen das unerfüllte Hoffen der Kindheit. Als Kind war es vielleicht mein letzter Anker zu mutmaßen, dass die Mutter gesund wird, der Vater zur Familie zurückkehrt, der Hund nicht stirbt. Menschen, bei denen viele dieser Hoffnung ent-täuscht wurden, die früh mit der Realität konfrontiert waren, haben es sich mitunter abgewöhnt, sich die Zukunft vorzustellen. Oder vielmehr sich ihre Zukunft allzu rosig vorzustellen. Warum ich das hier schreibe?

Zum einen ist es ein Hinweis für alle, die mit dieser Methode arbeiten. Wenn jemand seine Zukunft, seinen Erfolg, seinen Traummann nicht positiv visualisieren kann, liegt darunter oft Enttäuschung und altes, was den Schlüssel liefern kann zu neuen Perspektiven.

Zum anderen fragen wir in der Gestalt auch: Was wäre das Schlimmste, was passieren kann, in deinen Vorstellungen? um erst einmal dahin zurückzukommen, dass vielleicht auch einfach nichts geschieht. Oder um zu merken, dass mich das nicht umbringt. In der Regel wird dann gewahr, dass ich nicht mehr das wartende und hoffende Kind bin, sondern dass ich mittlerweile Einfluss auf meine Zukunft habe. 
Also: Was wäre das Schönste, dass Ihnen heute noch geschehen könnteKönnen Sie es visualisieren oder vielleicht sogar: aktiv was dafür tun?

Leben findet nicht im Kopf statt - und irgendetwas Neues wartet immer schon - wenn ich dafür offen bin. (Barry Stevens)


Hier noch die Barry Stevens Stelle, die ich sehr mag: Einmal an einem Nachmittag war ich in meiner Hütte, die abseits von anderen Häusern steht, bei der Arbeit. Als ich damit fertig war, fiel mir plötzlich ein, daß die anderen Menschen hier heute morgen einen Ausflug unternommen hatten, der mir ziemlich gefährlich erschien. Ich fing an, mich um sie zu ängstigen. Vom Ursprung her ist das Wort Angst mit der Bedeutung "Enge", "Druck" und "Erstickung" verbunden. Und genau das ist es auch, was mein Ängstigen meinem Körper antut. Ich beobachtete nun meine Fantasien: Immer wieder fuhr das Auto über eine Klippe in den Abgrund, allerdings waren die Verletzten und die Überlebenden immer wieder andere. Bei jedem neuen Szenario, das ich mir ausmalte, überlegte ich mir, was ich danach wohl selber täte, wie ich selber mein Leben neu gestalten würde. Bei der Beobachtung dieser in mir ablaufenden Fantasien wurde ich ganz neugierig, was alles in ihnen steckte, und ich wurde mir ihrer Unwirklichkeit gewahr. Als ich schließlich zur Wohnung von Susanne fuhr, mußte ich dort feststellen, daß sie schon wieder heimgekehrt war, lang bevor meine Angstvorstellungen überhaupt begonnen hatten! Je mehr ich mich aufs Beobachten verlege, je mehr ich den Prozess der Gedanken begleite, um so leichter fällt es mir, die Fantasien ihre Wege gehen zu lassen. Wenn ich sie nicht beobachte, nehmen sie mich in Besitz, und mein Körper wird von meinen Ängsten besessen. Was für eine Folter führe ich doch mit meinem Körper durch - also mit mir. Welches Leid tu ich mir an!

Ich will nicht sagen, es gäbe nichts, worüber man in Sorge sein könne. Es gibt durchaus andauernd jede Menge Dinge, um die man sich Sorgen machen kann. Ich meine nur, daß es einfach witzlos und fruchtlos ist, sich zu sorgen. Nach meiner Erfahrung tritt das, was man sich angstvoll ausmalt, nicht ein, oder es geschieht auch trotz aller Sorgen. Was meine Besorgheit bewirkt, ist letztlich nur, daß ich mich elend fühle. Und gewöhnlich mache ich damit auch gleich ein paar weitere Menschen unglücklich. Wenn ich mich sorge, gehe ich an Ereignissen um mich herum vorbei, an denen ich andernfalls Freude hätte. Und darüberhinaus entgehen mir beim Sorgenmachen andere Umstände, auf die ich praktischen Einfluß hätte. Vielleicht braucht ein Kind ein Gespräch mit mir, oder mein Nachbar braucht eine Mitfahrt zum Supermarkt. Davon bekomme ich aber gar nichts mit, oder ich bin schon zu erschöpft, um noch zu handeln, weil ich mich zu sehr mit Sorgen beschäftigte.

"Sich keine Sorgen machen" soll nicht bedeuten, auch auf gar nichts mehr und auch auf das nicht mehr achtzugeben, an dem ich noch etwas tun kann. Wenn zum Beispiel meine Einkünfte sinken, kann ich darauf mit Ausgabenkürzungen reagieren. Und wenn mein Ehemann mit einer andern anbändelt, oder wenn meine erwachsenen Kinder aus dem Hause gehen, kann ich zwar nichts nichts an ihnen verändern, aber ich kann mein eigenes Leben so umgestalten, daß ich mit diesen Änderungen leben kann und daß an die leergewordenen Stellen etwas Neues in mein Leben tritt. Irgendetwas Neues wartet ja immer schon - wenn ich dafür offen bin.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen