Es gibt viele Möglichkeiten das Glück,
die Zukunft, den Erfolg,... zu visualisieren. Visualisieren, darunter
verstehe ich vorstellen oder vorstellen mit allen Sinnen. In
Visualisierungsübungen kann der Teilnehmer das Erhoffte spüren: die
Sonne auf der Haut, den Geschmack von Salz auf den Lippen, die Möwen
überm Meer hören, den Fischgeruch riechen usw., usw.
Es gibt Menschen, die bei der
Vorstellung ihres Lieblingspartners dann plötzlich aber in eine ganz
andere Richtung abdriften und von der tiefen Stimme und dem schönen
Haar völlig unvermittelt auf einmal erzählen, dass derjenige nachts
schnarcht und gewaltige Hände hat. Visualisieren, so beteuern sie,
ist nicht ihr Ding. Was passiert?
Die positive Visualisierung der Zukunft
ist keine reine Methode der Gestalttherapie, soweit ich weiß. Es
reizt mich aber, darauf näher einzugehen. Studien beweisen, dass wir
entspannen, wenn wir uns die zukünftigen Dinge schön vorstellen und
ausmalen. Es hat ja tatsächlich überdies nicht viel Sinn, es sich
gar zu furchtbar und schwarz auszumalen. In der Regel kommt es dann
ja doch noch einmal anders. Wieso also die Zeit mit den
allerschlimmsten Befürchtungen vertun. Barry Stevens beschreibt dazu
eine Szene sehr schön in ihrem Artikel: Das Leben findet nicht im
Kopf statt. Ich hänge sie unten an.
Worauf ich aber hinaus will ist nicht,
sich keine Sorgen zu machen, sondern das Konzept der Visualisierung
zu betrachten. Sich etwas vorstellen können ist schon eine
Fähigkeit. Das ist nicht träumen. Und es gibt Menschen, die das
verlernten. Der Grund liegt nach meinem Ermessen nicht in mangelnder
Phantasie. Der Hintergrund dafür ist zuweilen das unerfüllte Hoffen
der Kindheit. Als Kind war es vielleicht mein letzter Anker zu
mutmaßen, dass die Mutter gesund wird, der Vater zur Familie
zurückkehrt, der Hund nicht stirbt. Menschen, bei denen viele dieser
Hoffnung ent-täuscht wurden, die früh mit der Realität
konfrontiert waren, haben es sich mitunter abgewöhnt, sich die
Zukunft vorzustellen. Oder vielmehr sich ihre Zukunft allzu rosig
vorzustellen. Warum ich das hier schreibe?
Zum einen ist es ein Hinweis für alle,
die mit dieser Methode arbeiten. Wenn jemand seine Zukunft, seinen
Erfolg, seinen Traummann nicht positiv visualisieren kann, liegt
darunter oft Enttäuschung und altes, was den Schlüssel liefern kann
zu neuen Perspektiven.
Zum anderen fragen wir in der Gestalt
auch: Was wäre das Schlimmste, was passieren kann, in deinen
Vorstellungen? um erst einmal dahin zurückzukommen, dass vielleicht
auch einfach nichts geschieht. Oder um zu merken, dass mich das nicht
umbringt. In der Regel wird dann gewahr, dass ich nicht mehr das
wartende und hoffende Kind bin, sondern dass ich mittlerweile
Einfluss auf meine Zukunft habe.
Also: Was wäre das Schönste, dass Ihnen heute noch geschehen könnte? Können Sie es visualisieren oder vielleicht sogar: aktiv was dafür tun?
Also: Was wäre das Schönste, dass Ihnen heute noch geschehen könnte? Können Sie es visualisieren oder vielleicht sogar: aktiv was dafür tun?
Leben findet nicht im Kopf statt - und
irgendetwas Neues wartet immer schon - wenn ich dafür offen bin.
(Barry Stevens)
Hier noch die Barry Stevens Stelle, die
ich sehr mag: Einmal an einem Nachmittag war ich in
meiner Hütte, die abseits von anderen Häusern steht, bei der
Arbeit. Als ich damit fertig war, fiel mir plötzlich ein, daß die
anderen Menschen hier heute morgen einen Ausflug unternommen hatten,
der mir ziemlich gefährlich erschien. Ich fing an, mich um sie zu
ängstigen. Vom Ursprung her ist das Wort Angst mit der Bedeutung
"Enge", "Druck" und "Erstickung"
verbunden. Und genau das ist es auch, was mein Ängstigen meinem
Körper antut. Ich beobachtete nun meine Fantasien: Immer wieder fuhr
das Auto über eine Klippe in den Abgrund, allerdings waren die
Verletzten und die Überlebenden immer wieder andere. Bei jedem neuen
Szenario, das ich mir ausmalte, überlegte ich mir, was ich danach
wohl selber täte, wie ich selber mein Leben neu gestalten würde.
Bei der Beobachtung dieser in mir ablaufenden Fantasien wurde ich
ganz neugierig, was alles in ihnen steckte, und ich wurde mir ihrer
Unwirklichkeit gewahr. Als ich schließlich zur Wohnung von Susanne
fuhr, mußte ich dort feststellen, daß sie schon wieder heimgekehrt
war, lang bevor meine Angstvorstellungen überhaupt begonnen hatten! Je mehr ich mich aufs Beobachten
verlege, je mehr ich den Prozess der Gedanken begleite, um so
leichter fällt es mir, die Fantasien ihre Wege gehen zu lassen. Wenn
ich sie nicht beobachte, nehmen sie mich in Besitz, und mein Körper
wird von meinen Ängsten besessen. Was für eine Folter führe ich
doch mit meinem Körper durch - also mit mir. Welches Leid tu ich mir
an!
Ich will nicht sagen, es gäbe nichts,
worüber man in Sorge sein könne. Es gibt durchaus andauernd jede
Menge Dinge, um die man sich Sorgen machen kann. Ich meine nur, daß
es einfach witzlos und fruchtlos ist, sich zu sorgen. Nach meiner
Erfahrung tritt das, was man sich angstvoll ausmalt, nicht ein, oder
es geschieht auch trotz aller Sorgen. Was meine Besorgheit bewirkt,
ist letztlich nur, daß ich mich elend fühle. Und gewöhnlich mache
ich damit auch gleich ein paar weitere Menschen unglücklich. Wenn
ich mich sorge, gehe ich an Ereignissen um mich herum vorbei, an
denen ich andernfalls Freude hätte. Und darüberhinaus entgehen mir
beim Sorgenmachen andere Umstände, auf die ich praktischen Einfluß
hätte. Vielleicht braucht ein Kind ein Gespräch mit mir, oder mein
Nachbar braucht eine Mitfahrt zum Supermarkt. Davon bekomme ich aber
gar nichts mit, oder ich bin schon zu erschöpft, um noch zu handeln,
weil ich mich zu sehr mit Sorgen beschäftigte.
"Sich keine Sorgen machen"
soll nicht bedeuten, auch auf gar nichts mehr und auch auf das nicht
mehr achtzugeben, an dem ich noch etwas tun kann. Wenn zum Beispiel
meine Einkünfte sinken, kann ich darauf mit Ausgabenkürzungen
reagieren. Und wenn mein Ehemann mit einer andern anbändelt, oder
wenn meine erwachsenen Kinder aus dem Hause gehen, kann ich zwar
nichts nichts an ihnen verändern, aber ich kann mein eigenes Leben
so umgestalten, daß ich mit diesen Änderungen leben kann und daß
an die leergewordenen Stellen etwas Neues in mein Leben tritt.
Irgendetwas Neues wartet ja immer schon - wenn ich dafür offen bin.
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